Freie Selbsthilfegruppe Backnang

das Jahr 2014

Mögest du immer einen Blick haben für die Sonne,
die durch dein Fenster fällt;
und nicht für den Staub, der auf ihnen liegt.

Irische Weisheit

Diese Weisheit möchte ich mir zunutze machen und meinen Blick auf das Wesentliche und Wichtige lenken und nicht auf das Gegenteil. Ich wünsche mir Kraft, meine Gruppenarbeit gut ausführen zu können.

Die nachfolgenden Zeilen und Fotos mögen täuschen, denn ganz so locker verlief dieses Jahr nicht. Es war - wie die vorherigen auch - geprägt von Gesprächen, Vorlesen, Themen in Versen, einem Kartenspiel, viel Theorie aber auch Praxis. Ich kann hier nicht alles aufführen, aber wir waren füreinander da und das ist das Wichtigste. Vor allem die Planung und Besprechung des bereits letzten Jahres geplanten Flohmarktes beschäftigte uns.

Am 8. Januar - erster Gruppenabend

Dieser Abend gehörte nur uns, denn wir hatten uns eine Weile nicht gesehen. Die gespendete Neujahresbrezel und der Saft, schmeckten hervorragend und wir fühlten uns rundum gut. Jeder erzählte, wie es ihm über Weihnachten, Silvester und Neujahr ergangen war. Mit einigen bestand der Kontakt trotz der Ferien, wir hatten uns in einem Lokal getroffen und auch bei uns daheim. Duftende Fliegenpilze sollen uns fürs neue Jahr Glück bringen.

Am 15. Januar vertieften wir uns in die Gruppenzeitung vom letzten Jahr. Staunen - was hatten wir alles unternommen! Es wurde Rückblick gehalten, was wir gerne wiederholen würden - was gut war - was nicht so dolle - und wir planten bereits für 2014.

Eine Woche später am 22. Januar, war ich vorher bei einem Informationsabend der AOK und es reichte eben so, um pünktlich zum Gruppenabend zu erscheinen. Wir hatten Ende des vergangenen Jahres mal darüber gesprochen wie wir uns verhalten, wenn wir glücklich sind. Dieses Mal sprachen wir über das Gegenteil: Wie ist es, wenn wir unglücklich/traurig sind? Teilen wir uns mit oder vergraben wir uns? Ich werde unsere Aussagen auswerten und sie dann gegenüber stellen, damit wir noch einmal darüber diskutieren können.

Für den 29. Januar hatte ich mal wieder Karten vorbereitet, Thema: Ich habe gelernt.

Beispiele:

Ich habe gelernt, dass in Deinem Leben ein Zeitpunkt kommt, wo Du realisieren wirst, wer Dir wichtig ist, wer es nie war und wer es immer sein wird!

Ich habe gelernt, dass es nicht immer reicht, wenn andere verzeihen. Manchmal musst du lernen, dir selber zu verzeihen.

Anfang Februar hatte ich die Verse, die wir oft schon in Suchtkliniken - verbunden mit guten Wünschen - vorgelesen hatten.

Das Loch in der Straße - wir setzten die Straße unserem Lebensweg gleich und das Loch der Sucht. Fragten uns, warum es nicht unsere Schuld ist, wenn wir hineinfallen. Wer war bzw. ist denn da immer schuld - wenn nicht wir selbst? Das wiederholte Hineinfallen definierten wir als Ausrutscher und freuten uns am Schluss, dass wir unsere Sucht erkannten, schnell aus dem Loch kamen, weil wir es akzeptierten, dass wir selbst schuld sind, dass wir um das Loch herumgingen und letztendlich eine andere Straße wählten. War ein guter Gesprächsabend.

Am 9. Februar bekam ich von meinem Mailfreund Zeilen für die Gruppe, die ich sehr gerne hier veröffentliche:

Sekunden

Jede Sekunde auf deiner Uhr ist Vergangenheit,
Zeit die du nicht mehr rückgängig machen kannst.

Denke darüber nach, wann deine Alkoholkrankheit begann,
jede Sekunde, die du versäumst zu handeln, zieht dich weiter runter.

Denke jede Sekunde darüber nach, was du dir und deinen Lieben antust.
Alkohol zerstört nicht nur dich, sondern auch die Seele, derer die dich lieben.

Du bist zu jung, um deinen Körper und Geist zu zerstören.
Schau in den Spiegel, damit du siehst, was Alkohol aus dir macht.

Von Sekunde zu Sekunde verfällst du mehr,
warte nicht, bis es keine Rückkehr mehr gibt.

Der Alkohol ist nicht dein Freund, sondern ein unbarmherziger Feind,
der dein Leben zerstören will und dich willenlos macht.

Verlier dich nicht in die Abhängigkeit der Sucht,
die dich jede Sekunde zu einem willenlosen Objekt macht.

Gib deinem Leben endlich eine Wende,
vertraue denen, die dich begleiten wollen, damit es dir wieder gut geht.

Versuche dich vom Teufel Alkohol zu befreien,
dann kann jede Sekunde auf deiner Uhr auch Zukunft sein.

Detlef Wolfgang Scholz
Vechelde 2014

Da ich in der Gruppe immer für den Schluss einen Vers vorbereite, werde ich diese Zeilen zu diesem Zweck mitnehmen und vorlesen. Es ist ein schöner Abschluss, etwas Nachdenkliches oder auch Lustiges mit heim nehmen zu können.

14. Februar - Valentin und Schultüte für eine Betroffene, die eine ambulante Therapie macht

  

Der März war geprägt von einem Vorhaben, bei dem wir mitmachen wollen: Flohmarkt mit Kaffee und Kuchen. Leider mussten wir in diesem Monat  zweimal pausieren, weil es mit dem neuen Gruppenraum nicht übergangslos klappte.

Im April schlossen sich einige von uns ab und zu einer Freizeitgruppe an, zum Nordic-Walking und Boulen.

Und wer hat nun hier eigentlich gewonnen?

9. April neue Räume in Backnang, Obere Bahnhofstraße 16

Am 15. April letztes Treffen vor Ostern

Der Muttertag im Mai: Filzblumen in allen Farben und ein anderes Mal gab es Erdbeeren

23. Juli - Eis essen nach einem Gespräch wie wichtig es ist, auf Alkohol in Lebensmitteln zu achten

Montag 4. August trafen wir uns noch einmal gemeinsam zu einem leckeren Essen und anschließend ging es in die Sommerferien bis am 3. September der erste Gruppenabend war.

3. September - der erste Gruppenabend nach den Ferien. Wir hatten viel zu erzählen und am Schluss ein Rätsel:

Es ist der Sohn deines Vaters, ist aber nicht dein Bruder. Wer ist es?"

Es wurde überlegt und dann kam die Antwort:

Das bin ICH!

Und nun las ich das lustige Geschichtchen von der Queen, dem Stoiber und Tony Blair vor. Was haben wir gelacht!

10. September - Ich las die Geschichte "Der Mann auf der Insel" vor. Wie immer mehr vom Land wegbröckelt und der Mann trotzdem nicht handelt - bis er mit dem Rest des Eilandes untergeht. Wie oft ist das auch auf die Sucht bezogen der Fall und wie wichtig ist es doch, rechtzeitig etwas zu tun.

 

17. September - unser Kartenspiel ist mal wieder an der Reihe. Mit den oft gegensätzlichen Bedürfniskarten wie Auszeit - Liebe - Respekt usw. können wir anfangs fast nichts anfangen und dann kommen wir doch ins Gespräch, das überraschend gut läuft. Bin wie so oft sehr stolz auf meine Gruppenmitglieder.

Und dann war es bald soweit:

 

20. September - Flohmarkt

Bereits seit vielen Tagen immer wieder der Blick auf Wetterkarten und Vorhersagen. Den Abend davor Gewitter und am nächsten Morgen trocken – Aufatmen.

Schon vor neun Uhr mein Anrücken und das meiner fleißigen Gruppen-Bienen. Schnell waren Tisch und Bänke bereitgestellt, das Auto mit all unseren Kostbarkeiten ausgeladen.

Tagelang hatte ich zusammengesucht, gereinigt, renoviert und dann Platz sparend eingepackt. Am Vortag kam einer meiner Helfer mit seinem großen Kombi und lud zu seinen Schätzen unsere. Es hätte keinesfalls mehr sein dürfen, lach. Schlimm war, dass es - wie bereits erwähnt - gewitterte und heftig regnete.

Zwei Wochen lang war ich mit Handzetteln und Plakaten unterwegs und nun klebten Plakate in den Banken, der Post, Apotheke, REWE, Autohaus, AOK und bei den Ärzten lagen Handzettel aus. Im Rathaus wurde mir versprochen, dass in der Brücke Oppenweiler eine Ankündigung erscheinen würde.

Und immer wieder DIESE Spannung … wie würde das Wetter sein UND können wir genug verkaufen? Die Höhere Macht wurde von mir angefleht.

Und nun ist alles vorbei und dank meiner tollen Verkäufer auch gut gelaufen. Alle hatten am Schluss mitgeholfen beim Aufräumen und Schleppen der Tische und Bänke. Die restlichen Kuchenstücke wurden verteilt und als wir das Auto füllten stellten wir fest: Wir haben wirklich ganz gut verkauft und auch geldmäßig können wir zufrieden sein. Dieser Betrag steht nun der Gruppenarbeit zur Verfügung.

 

Unser wetterfestes Gruppenschild am Stand begrüßte die Besucher:

 

Der Stand musste gut bestückt werden:

 

Die Vielfalt überraschte uns selbst:

 

Da ein Tisch alleine nicht ausreichte, stellten wir noch zwei Bänke davor und - Platz zum Stehen und Durchlaufen musste auch noch sein:

Am 24. September, dem Mittwoch darauf, unserem Gruppenabend, wurde erzählt, gelacht und gelobt. Einige aus der Gruppe waren zu Besuch gewesen, andere hatten leider schon etwas vor, denn die Vorbereitungen waren keineswegs glatt verlaufen.

Und nun möchte ich hier noch erzählen wie die Idee entstanden war: Alle zwei Jahre sind wir in der bundesweiten Suchtwoche mit einem Stand auf dem Marktplatz in Backnang. Ende 2013 beim Gruppenleitertreffen der Caritas dann vom Kreuzbund der Vorschlag: In den Jahren dazwischen könnten wir doch auch etwas machen. Viele Ideen wurden verworfen, bis wir erfuhren, dass am 12. Juli 2014 ein Sommerfest auf dem Gelände der Caritas stattfinden wird und da könnten wir doch auch dabei sein. Nach diesem Vorgespräch verabredeten wir uns für Anfang März des kommenden Jahres. Leider saßen wir fast alleine da, die anderen Gruppenleiter waren nicht da. Trotzdem erarbeiteten wir ein grobes Gerüst dieses Flohmarkts und verabredeten uns für Mitte Juni. Da konnte ich aus einem wichtigen Grund nicht und wurde von einem Betroffenen meiner Gruppe vertreten. Hinterher erfuhr ich, dass unser Flohmarkt auf den 20. September verschoben worden war, wir uns aber am 1. September noch mal zusammensetzen würden. An diesem Termin stellten wir fest, dass einer der Gruppenleiter aus Versehen den 13. September notiert hatte - und nun? Diese Gruppe wollte Pavillons und Biergarnituren bereit stellen. Letztendlich klappte alles dann doch noch und hinterher war aller Frust verraucht, da wir einen schönen Tag hatten, an dem das Miteinander hervorgehoben war.

1. Oktober - einer aus der Gruppe brachte - wie letztes Jahr und weil wir damals viel Spaß hatten - einen Teil der Ausbeute seiner Ernte mit: Paprika in vielen verschiedenen Formen und auch in unterschiedlicher Schärfe. Dazu hatte ich mit Butter bestrichene Baguettescheiben dabei und Käsewürfel. Anfangs hielten wir noch alle mit, aber mit zunehmender Schärfe streikten wir und am Schluss wurde nur noch versucht. Der Käse tat gut und das Brot war ausreichend vorhanden. Eine letzte Scheibe, das Stümple, gehörte dem Lümple, nämlich mir.

8. Oktober - unsere Gruppe war am 22. September zur 1. Regionalveranstaltung - Engagementstrategie Baden-Württemberg eingeladen und wir diskutierten über diese Veranstaltung lebhaft, denn ich hatte alle mitbekommenen Unterlagen ausgewertet und mir Notizen gemacht.

15. Oktober - Es sollte mal wieder ein "lebendiger" Gruppenabend werden und ich hatte Steine - Kiesel und Sand dabei:

Zuerst füllten wir die Steine ein, dann die Kiesel und zum Schluss den Sand.

Das gefüllte Glas sollte unser Leben darstellen. Die großen Steine alle wichtigen Dinge, über die wir schon oft gesprochen hatten, die Kiesel die nicht so wichtigen und der Sand alle schönen, zum Beispiel eine besondere Blume, ein Sonnenuntergang und und und ...

Nachdem wir ausgiebig geredet hatten, meinte ich: Wenn wir nun zuerst die Kiesel bzw. den Sand eingefüllt hätten? Dann wäre kaum Platz für die wichtigen Dinge - die Steine - gewesen.

Und ganz zum Schluss: Was könnten wir noch ins Glas füllen?

WASSER!

Und was könnte das Wasser in unserem Leben sein?

Wünsche, Träume und vor allem Ziele, denn wenn wir diese nicht mehr haben ...

22. Oktober - Ehemaligentreffen im ZfP in Winnenden und wir mussten über einen Rückfall reden, bei dem wir aktiv mithalfen.

29. Oktober - eine Suchthilfeinstitution war das Thema, wir finden sie nicht sehr empfehlenswert.

5. November - etwas Lustiges übers Einkaufen und Gespräche über "Kaufsucht".

12. November - ich war das erste Mal in sieben Jahren richtig krank und die Gruppe musste ausfallen. War aber nicht so schlimm, da ein paar Gruppenmitglieder auch nicht konnten.

19. November - Wie jedes Jahr machten wir eine Achtsamkeitsübung:

In kleinen Beutelchen waren immer zwei verschiedene Dinge versteckt und wir mussten diese, ohne sie sehen zu können, mit den Händen ertasten. Das war eine Stille und Konzentration und es war gar nicht so einfach, stellten wir fest.

Reis – Nudeln
Gewürznelken – Pfefferkörner
Eicheln – Buchecker
Kaffeebohnen – Erdnüsse
Büroklammern – Verschlüsse (Umschläge)
Münzen – Knöpfe
Schrauben – Nägel
Gardinenaufhänger – Fingerhut
Muscheln – Schneckenhäuser
Maiskörner - Haselnüsse

Natürlich wurde am Schluss über unsere Empfindungen und Erlebnisse mit den versteckten Dingen gesprochen.

26. November - Eine neue Tablette gegen den Alkohol ist auf dem Markt und dann gibt es noch eine neue Therapie, das "Fegeprojekt" aus Amsterdam.

3. Dezember - der Nikolaus war da, hat den Tisch schön geschmückt und auch was mitgebracht. Auch ein Quiz war sehr interessant und wir staunten darüber.

  

6. Dezember - wir waren auf dem Weihnachtsmarkt:

12. Dezember - die lustige Geschichte "Betriebsunfall im Cockpit" ließ uns lachen und wir tauschen Erinnerungen an ähnliche Erlebnisse aus.

16. Dezember - wir treffen uns zum letzten Gesprächsabend in diesem Jahr. Es wird diskutiert was im Jahr gut war, was man übernehmen könnte und was nicht so ankam. Auch die Ämter werden frisch verteilt oder bestätigt. Dann wird es noch etwas weihnachtlich.

Weihnachtskarten werden signiert, ein lustiges Gedicht über einen ungeduldigen Dackelhund und etwas Besinnliches vorgelesen. Weihnachtsrätsel lassen die Köpfe rauchen.

Und dann unser Sketch:

Oma und Opa begeben sich mit Wärmflasche, Kerzenlicht und Bettlektüre ins Schlafzimmer und setzen sich aufs Bett:

Die anschließende Unterhaltung lässt mehr als schmunzeln.

Der Weihnachtsmann hat eine Popup-Karte gebracht und Zweiglein mit Erdnussmännchen:

   

Von meiner Gruppe bekam ich etwas ganz Tolles, über das ich mich riesig freute.

DANKE!

Jeden Tag wenn ich an diesem schönen Strauß vorbeigehe wird es in meinem Herzen richtig warm.

Und wie schön, dass ich so eine prima Gruppe habe, in der wir Freud und Leid teilen.

Dafür ist mir keine Mühe zuviel!

 

Ganz am Schluss las ich noch ein besinnliches Gedicht vor über ein Stehaufmännchen.

Am Ende der Verse heißt es sinngemäß, dass ich ein Stehaufmännchen sein möchte, wie damals als ich als Kind ein Stehaufmännchen geschenkt bekommen hatte, das nie fiel. Heute betrachte ich das Männchen als Talismann, das mich ans Wiederaufstehen erinnert:

Denn Leben bedeutet manchmal auch Qual
und Fallen ist da doch mehr als normal.
Aber liegen bleiben sollte man nicht,
Aufstehen mach ich mir zur Pflicht!

Begeisterung bei allen, über die ich mich natürlich freute.

Bevor wir auseinander gingen wünschten wir uns noch schöne Weihnachten und einen guten Rutsch!