Schicksalsnacht

Als der Morgen graut, sitzt Anton immer noch vollkommen angekleidet auf der Bettkante. Ihn schaudert und fröstelnd zieht er die Schultern hoch.
Vor ein paar Wochen war alles anders, urplötzlich!
Seine Gedanken gehen zurück zu diesem schicksalhaften Freitag.

Wieder einmal hatte Irene, seine Frau, ihm erklärt, dass sie alleine ausgehen werde, wie schon so oft. Erbost und müde von der Arbeit, wollte Anton ihr das verbieten. Wie immer gab ein Wort das andere und aus Trotz verschwand sie, ohne sich von ihm zu verabschieden. Das letzte, das er von ihr erblickte, war die enge glänzende Hose im Leopardenlook und das knappe goldene trägerlose Topp, über das die langen schwarzen Haare wallten.
Der eifersüchtige Mann war wütend und wartete die ganze Nacht, bis er auf dem Sofa erschöpft einschlief. Aufgewacht am Geräusch der heimkehrenden, angesäuselten Gattin, stellte er mit einem Blick zum Wecker fest, dass es vier Uhr morgens war. Hart packte er die ihm so fremd gewordene Frau an den Schultern, schüttelte sie und wollte sein eheliches Recht einfordern.
Sprachlos und wie gelähmt vernahm er, dass Irene sich von ihm trennen wolle. Ihre Gefühle wären erloschen, erklärte sie ihm. Einfach so! Geschockt war er, als er erfuhr, dass sie bereits sämtliche Konten abgeräumt hatte und alles Ersparte weg wäre.
Cool erwähnte sie, dass sie das Geld gebraucht hätte.
Bereits im Sandkasten hatten sie miteinander gespielt, waren in dieselbe Schule gegangen und ihre Beziehung reifte allmählich zu Liebe. Das alles beendete die Frau nun mit einem kühlen Gespräch. Anton zitterten die Knie und Tränen der Enttäuschung traten in seine Augen. Aber alle Versuche, Irene umzustimmen schlugen fehl. Er musste erkennen, dass man Zuneigung nicht erzwingen kann.
Trotzdem - seine Frau gehörte ihm – nur ihm! Rachegedanken machten sich in seinem Herzen breit und als Irene ein paar Tage später wieder loszog, folgte er ihr. Sie verschwand in der nächsten Disko, in der Anton seine Frau ausgelassen und hemmungslos tanzen sah. Wie Freiwild ließ sie sich küssen und betatschen, was in ihm ein Ekelgefühl hochsteigen ließ. Letztendlich zog sie mit einem dieser Typen los. Zuerst in ein Nachtlokal und dann zu ihm nach Hause. Lange wartete der gehörnte Ehemann und wieder war es heller Morgen, als Irene total betrunken den Heimweg antrat.
Zornig las Anton den Namen „Miller“ vom Schild der Türglocke ab. Kurz darauf sah er diesen Kerl das Haus verlassen.
‚Was hat der, das ich nicht habe?’, fragte er sich kopfschüttelnd.
Trotz harter Arbeit und vieler Überstunden, kam Anton nicht zur Ruhe.

Aber jetzt fühlt er sich richtig gut und geht in die Küche, um sich das Frühstück zuzubereiten. Diese Nacht blieb das Bett neben ihm leer und er weiß auch warum.
Mit einer Tasse duftendem Kaffee und einem knackigem Brötchen, das er schnell vom Bäcker nebenan geholt hatte, setzt er sich mit der eben aus dem Briefkasten gefischten Zeitung an den kleinen Küchentisch.
Bereits auf der ersten Seite springt ihm ein Bild entgegen, das ihn sichtlich zu befriedigen scheint. Es ist das Foto des Mr. Miller, wie er dort genannt wird. Dass dieser Mann aus England stammt und erst seit einigen Wochen hier in Deutschland weilte, überrascht Anton. Das wusste er nicht! Deshalb also die hellblonden Haare und blauen Augen! Seine Art passte zu einem konservativen Engländer, überlegt er.
Auch seine Angetraute ist dort auf dem Blatt abgebildet, aber das muss ein rekonstruiertes Abbild sein, denn sie sieht sich gar nicht ähnlich, überlegt der Ehemann. Darunter steht: ‚Wer kennt diese Frau?’
Anton weiß somit, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, bis er Besuch bekommen wird.
Die letzte Nacht durchlebt er noch einmal, dieses Mal ohne Hass und Wut.

Erneut war er seiner Frau gefolgt, die sich in der Disko mit dem feinen Herrn getroffen hatte. Zugeben musste er schon, dass sie ein schönes Paar bildeten. Der blonde Hüne hatte lässig den rechten Arm um die zarte dunkelhaarige Frau gelegt, als sie das Lokal verließen. Vorsichtig schlich Anton hinterher, jeden Hauseingang als Deckung benutzend. Das war eigentlich unnötig, denn Irene und ihr Begleiter, hatten nur Augen für sich selbst und wähnten sich unbeobachtet. Zu oft hatten sie sich bereits getroffen und die anfängliche Vorsicht war geschwunden.
Trunken vor Glück und auch vom Alkohol schloss der Mann die Haustüre auf und sich küssend und umarmend rannten die Liebestollen rasch das Treppenhaus hinauf. Eben noch erwischte Anton die sich schließende Tür, bevor sie vollends ins Schloss schnappte. Als er kurze Zeit später atemlos und mit heftigem Herzklopfen an der Wohnung klingelte, öffnete ein bereits halb entkleideter, überraschter Liebhaber, auf den der Eifersüchtige pausenlos mit einem Brecheisen einschlug, das er sich schon einen Tag vorher im Haus bereit gelegt hatte. Anschließend stürmte Anton ins angrenzende Schlafzimmer und erschlug seine Frau, deren große, braune Augen ihn fassungslos ansahen.

Eben klingelt es an Antons Wohnungstüre und er schiebt noch schnell den letzten Bissen in den Mund, den bereits gepackten Koffer schnappend.

Heidi Gotti

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