Rotschwänzchen und Rotschwanz

Bereits letztes Jahr wunderten wir uns über die rege Bautätigkeit auf der Abdeckung unserer Markise.
„Das wird nichts“, meinte mein Mann.
Tatsächlich – das kunstvoll gefertigte Nest rutschte immer mehr und drohte abzustürzen. Von den Bauherren keine Spur mehr. Einige Zeit später, als Teile dieser Wohnung vermehrt zu Boden fielen, entfernten wir den Rest.

Dieses Jahr dasselbe Gehabe, wieder wurde jener Platz zum Bauen auserkoren, doch das Nest etwas geschickter und sicherer angebracht.
Wer ist da so fleißig, wunderten wir uns.
Spatzen randalierten im Geäst der Bäume und beim nahen Hühnerhaus, Meisen ließen ihr tzzz tzzz ertönen, Amseln flöteten und zwei Paar Rotschwänzchen flogen aufgeregt und eifrig umher. An der benachbarten Scheune wurde Maß genommen. Schien nicht zu passen und plötzlich war nur noch ein Pärchen dieser munteren schwanzwippenden Vögelchen zu entdecken. Sind das unsere Hausbesetzer? Nein, denn das Nest wirkte – wie im vergangenen Jahr – verlassen. Sollen wir es wieder beseitigen? Das Wetter hinderte uns daran.
Was für ein scheußlicher Frühling! Wir Menschen schimpften und außer Gras wollte nichts keimen oder wachsen.
Irgendwann, Mitte Mai, waren die Rotschwänzchen wieder da. Man hörte ihren Gesang und wir freuten uns.
Überraschung! Sie hatten unser Nest bezogen und flogen abwechselnd auf Futtersuche.
Es war immer noch regnerisch und kalt und wir igelten uns ein. Bei Wetterbesserung durften wir an der Aufzucht der Vogelbabys teilnehmen. Unermüdlich flog das schmucke, dunkel befrackte Männchen, wie auch seine etwas unscheinbarere Ehefrau, um die hungrigen Schnäbelchen zu stopfen. Waren sie bei den Jungen, hörte man das Geziepe überdeutlich. Der An- und Abflug der Eltern hatte jedes Mal einen bestimmten Ablauf. Wir freuten uns an dem Wippen der rötlichen Schwänzchen und dem Futter ankündenden Gezwitscher.

Unser Rotschwanz, Kater Ricky, schien sehr interessiert zu sein und stand anfangs auf dem Fensterbrett, die Vorderbeine auf dem Geländer, um mit sehnsüchtigem und sehr neugierigem Blick nach oben zu starren. Wir schimpften, was sicher nicht viel half. Trotzdem akzeptierte unser Vierbeiner bald diese gefiederten Freunde. Das Ziepen der Kleinen war nun nicht mehr zu überhören und eines Tages schien die gesamte Familie gruß- und klanglos ihr Zuhause verlassen zu haben. Schade!
Wir sahen sie draußen noch einige Zeit, vor allem, wenn Nachbars Katze unterwegs war. Dann flogen die aufgeregten Vogeleltern um den Kopf des Katers, um ihn wegzulocken. Wir halfen kräftig mit, indem wir kreischten und in die Hände klatschten. Verhindern konnten wir aber nicht, dass sie mit einem gefiederten Etwas im Maul auftauchte. Schreck pur, dann Erleichterung und doch auch Trauer. Es war kein Rotschwanzbaby, sondern ein junger unvorsichtiger Spatz.
Unsere Majestät thronte fauchend hinter der Scheibe und hätte den Räuber in seinem Revier im Freien sicher angegriffen.
Nun im Juni hört man noch ab und zu das Gezwitscher der Rotschwänzchen, nur erspähen kann man sie höchst selten.
Undankbar, finden wir und tragen uns mit dem Gedanken: Hausverbot.
Trotzdem freuen wir uns auf den nächsten Familienzuwachs bei Rotschwänzchens, vielleicht sogar noch in diesem Jahr.
Und genauso war es. Die fleißigen Vogeleltern zogen noch einmal Nachwuchs auf.
Beobachtet im Jahr 2010.

Übrigens ist das Gartenrotschwänzchen der „Vogel des Jahres 2011.

Gerne hätten wir diese munteren Vögelchen fotografiert, was uns aber leider nicht gelang. Unseren Rotschwanz kann man auf dieser Webseite unter dem Button "Hundkatz" bewundern und sich über seine Streiche informieren. Noch mehr erfährt man im Buch "Hundkatz auf Abwegen".  

Heidi Gotti

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