Der Rosenkavalier

Es ist schon lange her.
Ich war gute 18 Jahre alt, damals wurde man erst mit 21 volljährig. Jeden Tag fuhr ich mit der Bahn in die Landeshauptstadt ins Büro. Meine Mutter traf sich regelmäßig mit mir, so auch an diesem milden Dezembertag, denn wir wollten Weihnachtsgeschenke kaufen.
Es war schon dämmrig und alles erstrahlte in stimmungsvollem Licht.
Mutti stand, wie schon so oft, am Olgaeck in Stuttgart und wartete auf mich.
Sie hatte einen riesigen Strauß dunkelroter Rosen im Arm.
„Das ist aber schön, Mutti, dass du dir auch mal was gegönnt hast“, meinte ich.
Schmunzelnd antwortete sie: „Die sind für dich. Ein junger Mann drückte sie mir in den Arm und murmelte, dass er dich verehren, sich aber nicht trauen würde, dich anzusprechen.“

Natürlich hielt ich die nächste Zeit Ausschau, konnte aber den Rosenkavalier nirgends entdecken, was mich traurig machte. Das Geheimnis hat sich nie gelüftet.

Wie sich die Zeiten doch geändert haben, als Frau sollte man sich auf der Straße nicht ansprechen lassen und auch nicht alleine in ein Lokal gehen. Das sind nur einige Gedanken, die mir bei meiner Erinnerungsgeschichte einfallen.

Heidi Gotti