... Meine Kinder - und der Osterhase ...

 

Als meine drei Kinder noch klein waren, wollte ich ihnen den Glauben an den Osterhasen nicht rauben. Am Karfreitag oder dem darauf folgenden Samstag wurde Moos gesammelt, weil es der Hase für seine Nester brauchte. Jedes Kind hatte sein eigenes Körbchen und war mit Feuereifer dabei. Wie oft wurde das Gesammelte ausgetauscht, weil sich schöneres fand. Dabei konnten wir das Erwachen der Natur beobachten. Es war schön, zu bemerken, dass die Kinder immer wieder eine um diese Zeit blühende Pflanze entdeckten und dann viele Fragen auf mich einstürzten. Zum Glück kannte ich diese Gewächse aus der eigenen Kinderzeit, wofür ich meinen Eltern sehr dankbar bin. Wenn aber eine Pflanze dabei war, die auch ich nicht identifizieren konnte, nahmen wir sie mit und wälzten daheim Bücher, bis wir wussten, um was es sich handelte. Das machte uns allen natürlich riesig Spaß.

Das gesammelte Moos wurde im Freien beim Haus deponiert, damit der Hase darauf Zugriff hatte für seine Nester. Es war eine riesige Freude für die Kinder, dieses Moos am Ostersonntag zu entdecken, gefüllt mit Eiern und den üblichen Schleckereien.

Wir bastelten schon zirka zwei Wochen vor dem Fest hübsche Tischdekorationen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte, aber es entstanden wunderschöne Dinge dabei, mussten Opa und Papa doch schon lange Zeit rohe Eier ausblasen, ebenso wie ich beim Backen. Aber auch aus Pappe, Papier und sonstigen Werkstoffen, wurden interessante Geschenke erfunden.
Beim Basteln entwickelten sich interessante Gespräche. In diesen stellten wir uns vor, wie und wo der Hase wohl die Eier färbt.
Die schönsten Kinderzeichnungen entzückten anschließend, schade dass sie im Laufe der Zeit und den vielen Umzügen verloren gingen. Meine Tochter war schon als Kleinkind sehr begabt und besaß auch eine einzigartige Fantasie, solche Dinge darzustellen.
Sind auch ihre "Werke" nicht mehr vorhanden, leben sie doch noch in meiner Erinnerung:
Ich sehe blauen Himmel, weiße Wölkchen und eine strahlende Sonne. Im Hintergrund Berge, deren Gipfel schneebedeckt sind. Grüne Wiesen mit Blütenbäumen und herrlich bunten Blumen. Inmitten dieser Blüten sind die Hasen pinselschwingend bei der Arbeit. Da diese munteren Gesellen mit den langen Ohren alle gleich aussehen, mussten die männlichen Hosen und die weiblichen Röcke tragen. Die Röckchen natürlich in allen Farben, darauf legte die Kleine wert, getupft, kariert, gestreift und geblümt. Passende Blusen oder Hemden gehörten zum Outfit auch dazu.

Abends im Bett hieß es dann:
"Mutti, erzähl uns doch vom Osterhasen."
Und so erzählte ich:
Wie beim Menschen leben die Hasen auch in einer Familie. Vater, Mutter und Kinder. Wenn Ostern naht, ist es die Mutter, die organisiert was zu tun ist, denn der Vater ist für die Versorgung der Familie zuständig, wie bei uns auch.
Und so ruft die Mutter ihre Kinder und schickt sie zum Bauern auf den Hof, um so viele Eier, wie nur möglich, zu holen.
"Nehmt Körbe mit und ein Wägelchen, damit ihr die Eier nicht tragen müsst. Denkt daran, dass sie leicht zerbrechen!" mahnt sie dann noch.
Als artige Kinder machen sie sich ohne Murren auf den Weg.
Die Hennen auf dem Bauernhof wissen es auch schon, dass bald Ostern ist und die Hasen kommen werden. Sie sitzen im Hühnerhaus auf ihrer Stange und drücken und drücken ...
So viele Eier legen sie sonst bei weitem nicht wie um diese Zeit Der Hahn stolziert total aufgeregt flügelschlagend im Hühnergarten auf und ab. Kaum sieht er die Hasen kommen, veranstaltet er ein Riesengegacker und die Hennen wissen Bescheid. Nun werden alle Eier zusammengetragen und in die mitgebrachten Körbe gefüllt. Sofort treten die Hasenkinder den Rückweg an, das hatte ihnen die Mutter noch nachgerufen.

Nach einer bestimmten Zeit beendete ich meine Geschichte, mit dem Versprechen:
"Morgen geht es weiter" und ließ mich auch nicht durch ‚o wie schade', davon abbringen.
Durch meine Tätigkeit im Kindergarten - damals - wusste ich, dass sich Kinder in diesem Alter maximal zehn Minuten richtig konzentrieren können, ohne überfordert zu sein.
Oft wurde ich während des Erzählens unterbrochen. Fragen über Fragen beschäftigten meine Kinder, die ich blitzschnell und oft mit rauchendem Kopf beantworten musste.

Am nächsten Abend hatte ich doch bereits "vergessen", wie weit meine Geschichte gegangen war. Natürlich halfen mir meine Drei und es war erstaunlich, was sie noch alles wussten.
Und dann erzählte ich weiter:

Schon von weitem sehen die Hasenkinder auf dem Rückweg ihre Eltern stehen. Die Mutter blickt ihnen erwartungsvoll entgegen und freut sich, dass alles geklappt hat. Der Vater war schon fleißig. Einen Tisch hat er aufgebaut, auf dem viele Farbtöpfe stehen. Daneben liegen große, mittelgroße und kleine Pinsel. Sofort bekommen die Kleinen Schürzen umgebunden und der Vater zeigt ihnen, wie die Eier bemalt werden sollten. Nun entstehen wahre Kunstwerke. Rote, gelbe, orange, blaue, violette und sogar grüne Eier sind mittlerweile zu sehen. Mutter malt nun andersfarbige Tupfen auf die Eier. Die Kinder sind total begeistert und eifern ihr nach. So erblickt man gestreifte, getupfte und gefleckte Schönheiten. Der Vater ist ein richtiger Künstler, er hat Blüten, kleine Küken, Häschen und Kinder auf die Eier gemalt, über denen blauer Himmel und die Sonne zu sehen sind. Zum Schluss werden noch eine Portion einfarbige Eier geschaffen, denn auch diese sind sehr schön. Kaum trocken werden alle Eier in Körbe gestapelt. Vorsicht, Vorsicht, mahnen die Eltern. Die Tragekörbe der Haseneltern sind bereits gefüllt und der Rest kommt in die anderen Behälter, die noch auf den Wägelchen stehen. Nun haben die Hasen aber Hunger, denn es ist mittlerweile schon dunkel geworden.
"Morgen ist Ostersonntag und wir müssen sehr bald aufstehen", erklärt die Mutter beim Essen. Und so ist es. Noch in der Dunkelheit weckt sie die Kinder und dann geht's los. Vater mit dem Tragekorb vornweg, dann die Kinder mit ihren Wägelchen und zum Schluss die Mutter, ebenfalls beladen mit Eiern.
"Beeilt euch", ermahnt der Vater von Zeit zu Zeit, wenn die Kinder zurückzubleiben drohen. Papa Hase holt seine Liste aus der Hosentasche, darauf stehen die Ortschaften und die Häuser, in denen Kinder leben.

Wieder ist meine Geschichte zu Ende und nach einem kleinen Lied, schlafen meine Kleinen müde ein.
Am nächsten Tag, an dem nach der Hausarbeit und den üblichen Tätigkeiten, wieder gebastelt wurde, erzähle ich abends erneut weiter.
Durch Wiederholen haben mich meine Drei erinnert, wie weit ich bereits berichtet hatte.

Und so stehen die Hasen vor der ersten Ortschaft und in den Gärten der Kinder werden die ersten Nester, Eier und auch Zuckerhasen, die vorher beim Bäcker abgeholt wurden, versteckt. Das macht den Hasenkindern viel Spaß.
Aber die Eltern müssen immer wieder ermahnen: "Schnell, schnell, es wird bald hell werden!"
So hat diese Hasenfamilie bereits drei Ortschaften mit Ostersachen versorgt und die Körbe sind mittlerweile leer.
Wieder heißt es: "Beeilt euch, nicht dass wir entdeckt werden!"
Tatsächlich reicht es gerade noch, sich aus dem letzten Garten zu entfernen und schon sehen sie, wie an einem der Fenster des Häuschens die Gardine beiseite geschoben wird und ein Kind neugierig in den Garten schaut. Eben konnte sich die Hasenfamilie noch hinter einen Baumstamm retten. Sie ziehen sich noch ein Stück zurück und sehen versteckt aus sicherer Entfernung der Freude der Kinder beim Nester- und Eiersuchen zu.
Dann trollen sie sich heim und schlafen und schlafen erst einmal sehr lange aus ....
Für dieses Jahr ist es geschafft, aber insgeheim freuen sie sich auf die Wiederholung.

Damals habe ich diese Abende - auch was Weihnachten anbetraf - nicht so intensiv empfunden wie heute. Wenn ich als Großmutter daran denke, dann sehe ich meine beiden Buben im Bett liegen und meine Tochter am Fußende des einen Bettes sitzen, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Zwei paar blaue und ein paar dunkelbraune Augen sehen mich interessiert an, und scheinen meiner Erzählung voller Eifer zu folgen, das bestätigen auch die hochroten Wangen. Als meine Tochter dann älter wurde, ließ sie es sich trotzdem nicht nehmen, bei diesen abendlichen "Gesprächen" dabei zu sein. Im Gegenteil, sie betätigte sich sogar an meiner Erzählung und hat die Neugier der beiden Kleinen damit noch angeheizt, was für mich besonders schön war.
Wie viel davon hängen geblieben ist, weiß ich nicht, die Kinder waren damals ja noch sehr klein. Später halfen sie beim Färben und auch beim Verstecken für die jüngeren Geschwister und Kinder aus der Nachbarschaft mit. Für mich war es trotz Hektik und einer schlimmen Zeit wunderschön, ein Halt und ein Grund mich durchzubeißen.
Heidi Gotti
 

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