Leipzig, die Buchmesse und Freunde
- Tagebuch -
Heute ist Samstag der 12. März 2005 und für mich sowieso ein besonderer Tag, auf den ich hier aber nicht besonders eingehen möchte. Fünfzehn Zentimeter Neuschnee hat uns der Morgen beschert und es schneit immer noch.
Auch am Sonntag schneit es wieder, aber nicht mehr so sehr wie die Tage zuvor.
Am Montag den 14. März zeigt uns ein Blick aus dem Küchenfenster, dass die Schneeberge beim Haus wieder die Höhe von über zwei Metern erreicht haben. Die Gewächshäuschen sind dick eingehüllt, unser kleines Gärtchen zugedeckt mit einer meterdicken weißen Pracht.
Die Aussicht aus dem Esszimmerfenster, lässt erschaudern, dort ist Winter, die Wiese unter diesem kalten Weiß versteckt. Es ist uns bang, denn am Mittwoch, den 16. wollen wir verreisen. Unsere Besucher, die Vögelchen tun uns leid. Sie können ja unter dem Schnee nichts mehr finden. Es war wohl etwas milder geworden und hatte zu tauen begonnen, aber ...Dasselbe Bild präsentiert sich am darauf folgenden Dienstag, nur ... es ist tatsächlich richtig warm geworden und an den Sonnenhängen beginnt der Schnee ganz allmählich zu schmelzen.
Es werden die letzten Besorgungen gemacht, unter anderem eine Packung - acht Stück - Meisenknödel gekauft. Otto hatte mit Schraubzwingen am Fensterbrett neben dem Vogelhäuschen eine Latte befestigt. Daran hängen wir diese Leckerlis auf.
Das Auto hat auch Futter bekommen und für uns wurde etwas für unterwegs besorgt.Heute am Mittwoch, den 16. März in der Frühe fülle ich das Futterhäuschen bis zum Dach mit Sonnenblumenkernen und Fett-Haferflocken, die wir immer selbst herstellen. Eine weitere Schüssel wird aufgehoben für unsere Rückkehr. Wer weiß ...
Die Koffer sind bereits gepackt und auch eine Reisetasche mit den letzten Dingen, die erst ganz zum Schluss noch mitgenommen werden müssen, steht schon bereit.
Alle Geräte, auch der PC werden vom Strom genommen, nur die Heizung, Kühl- und Gefrierschrank bleiben am Netz. Vor die Haustüre wird eine Kiste gestellt, der Briefträger weiß Bescheid, dort hinein kommen die Zeitungen und nur die Post in den Kasten.
Es ist acht Uhr und wir sitzen im Auto, das vom vorherigen Tag voll getankt vor der Haustüre steht. Das Gepäck ist verstaut, ebenso unser Vesper.
Nun also los, wir beschlossen bereits gestern - anstatt dem Autozubringer zur Heilbronner Autobahn - bei Schwäbisch Hall auf die A 6 zu fahren. Nach guten vierzig Minuten ist es soweit und wir befinden uns mitten im Verkehrsgewühl. Baden-Württemberg präsentiert sich wie mitten im Winter. Richtig satt haben wir dieses triste Bild der weißen, tief verschneiten Landschaft.
Ab und zu an den Südhängen kann man schon etwas Wiese entdecken, aber sonst ...
Als wir uns im Freistaat Bayern befinden, sehen wir auch hier nur Schnee, soweit das Auge blickt, was wiederum frustriert. Natürlich denke ich an unsere hungrigen Piepmätze und hoffe, dass sich die Plustemperaturen durchsetzen werden, um den Schnee tauen zu lassen.
Thüringen präsentiert sich genauso wie BW und Bayern, nur ... nach einiger Zeit, zeigen sich schneefreie Wiesen und ganz plötzlich ist dieses Weiß vollends verschwunden. Dafür regnet es leicht, hört dann aber wieder auf. Als wir ca. 85 km von Leipzig entfernt sind, suchen wir einen Parkplatz auf, um etwas zu uns zu nehmen. Auch eine sms setzten wir ab, denn die Gisela, wartet dort schon auf uns. Diese Entfernung zu Leipzig sollte sich zu einer magischen Marke entwickeln, aber dazu später noch erklärende Zeilen.
Ein Ziel unserer Reise ist das Zusammentreffen mit Mail-Freunden aus unserem Feier@bend-Klub.
Nie zuvor hatten wir sie gesehen und das wollten wir ändern. Sicher tauschten wir über hundert Mails aus, trotzdem war es unser Anliegen, uns einfach in die Arme zu nehmen und in die Augen zu blicken.
Dann geht es rasend schnell und in Leipzig nehmen wir die zweite Abfahrt, aber ... der Plan, den wir vom Hotel vorliegen haben, sieht etwas anders aus als die Wirklichkeit. Da wir nicht trauen, fragen wir und finden dann zum Hotel "Laval". Dort werden wir herzlich aufgenommen und erhalten die "Karte", um die Tür zu unserem Zimmer zu öffnen. Da wir für diese drei Tage nicht viel Gepäck haben, brauchen wir keine Hilfe.
Vom Zimmer aus - es befindet sich dort wohl ein Telefon - telefoniere ich aber trotzdem per Handy mit der Gisela, die in Leipzig zu Hause ist. Das ist ein Sieg der "Faulheit", denn dort ist ihre Nummer im Verzeichnis gespeichert und problemlos abzurufen. Sie hat die Teilnahme einer "Lesung" für den Nachmittag für uns alle organisiert. Vor einer Weile war sie erst nach Hause gekommen, hatte aber trotzdem schon gewartet. Den Plan, wie wir zu ihr kommen, hatte sie noch per Mail geschickt. Das liest sich vielleicht kompliziert und wir denken ... oje. Also fahren wir los. Da es bis zur ersten Abbiege sehr weit ist, schwitzen wir entsetzlich, muss wohl der Angstschweiß sein, diese Abfahrt zu verpassen. Wir müssen die Straßen jedes Mal nach links verlassen, also ist es mühselig, die Straßennamen in dem Verkehrsgewühl - oft hinter der Straßenbahn - zu entziffern. Aber wir schaffen es und nachdem wir die erste Abfahrt geschafft haben, sind die nächsten nicht mehr so problematisch.
Das letzte Mal nach rechts und das zweite Haus auf der rechten Straßenseite ist die Wohnstätte der Gisela. Ein Blümchen haben wir mitgenommen und werden nach dem Aussteigen von einem kräftigen Wind begrüßt und fast umgeworfen. Die Sonne macht es wieder wett und scheint warm auf uns herunter. Kaum geklingelt, werden wir von Gisela schon eingelassen und dann ... springt der Funke sofort über.
Wir liegen uns alle Drei in den Armen und ich bin froh, Gisela "in d Augela gucka" zu dürfen, wie ich es schwäbisch formuliere, was uns herrlich lachen lässt.
Dann erzählen wir und Gisela tischt auf, lautere leckere Kuchen und einen köstlichen Kaffee. Nun ist es Zeit und wir fahren mit dem Auto zum Ort der Lesung.
In der Gutenberg-Schule findet die Veranstaltung statt unter dem Motto: Hanser kommt mit Schiller zu Gutenberg. Es ist der "Hanser-Verlag" gemeint.
Es ist faszinierend! Da noch nicht viele Leute da sind, nehmen wir mutig in der zweiten Reihe Platz, die erste ist reserviert. Der Saal hat sich gefüllt und wir werden gebeten, fünf Minuten zu warten, da sechzig Schüler aus Heidelberg noch unterwegs wären. Übervoll ist das Foyer dann.
Wir werden vom jungen Schiller in zeitgemäßer Kleidung begrüßt. Er erzählt über sich viel Wissenswertes und bei seinem Auftritt fühlen wir uns zurückversetzt in die damalige Epoche. Er spricht auch von seinem "späteren" Freund Goethe, waren sie sich doch anfangs nicht ganz "grün". Dann stellt er uns die anderen Mitwirkenden vor, die dann im Wechsel - vorlesen. So wird uns auch das Verhältnis Goethe und Schiller verdeutlicht. Der Schluss, bei dem auch auf den Tod Schillers eingegangen wird, stimmt uns traurig. Was für ein bedeutender Mensch, der eigentlich so krank und deshalb gar nicht lebensfähig war. Da er aber getrieben wurde von seinem geistigen Wissen und dem Schaffensdrang, wurde die Krankheit immer wieder besiegt.
Nach dieser Lesung, die von drei Personen vorgenommen wurde, dem Autor Safranski, der Passagen aus seiner Schiller Biografie vorliest und die weiteren Rollen auf "Goethe" und "Schiller" verteilt, die von einem jungen Mann und einer sehr impulsiven Frau dargestellt werden, spricht wieder der junge Schiller - wie anfangs - zu uns.
Am Schluss bin ich so begeistert, dass ich Schiller einfach persönlich ansprechen muss. Nachdem ich ihm mitteile, dass wir ganz in der Nähe seines Geburtshauses und -ortes wohnen, vertraut er mir an, dass er noch nie dort gewesen sei. Schelmisch meine ich, er sei bei uns herzlichst eingeladen, falls er einmal den Weg finden würde, was uns nach seiner Zusage schmunzeln lässt. Noch ein fester Händedruck und ich verlasse glücklich das Foyer der Gutenbergschule.
Zu Hause bei der Gisela angelangt, beschließen wir, in ihrer Nähe essen zu gehen, was wir nicht bereuen. Es ist fast 24 Uhr, als wir unser Hotel erreichen. Die Karte zum Öffnen der Eingangstüre will uns nicht einlassen. So betätigen wir die Nachtklingel und ein netter Herr öffnet. Er versichert uns, auf unsere Entschuldigung hin, dass es nicht tragisch sei, da er sowieso am Arbeiten wäre.
Müde fallen wir nach einer Reinigung in die Betten, auf dessen Kopfkissen sich eine süße Kleinigkeit befindet.
Am nächsten Morgen - Donnerstag den 17. März - wartet im Hotel ein üppiges und leckeres Frühstücksbüfett auf uns und beim anschließenden Spaziergang versuchen wir es zu verdauen.
Wieder geht es zu Gisela und dort beschließen wir, Leipzig anzusehen.
Der Bahnhof zeigt sich uns wie eine eigenständige kleine Stadt.
Alles kann man dort kaufen. Österlich ist alles geschmückt und was uns besonders gefällt: Echtes Gras und echte Blumen sind eingepflanzt zwischen den "Hasen".
Wir schlendern ein Stück durch die Stadt und schießen Bilder.
linkes Bild die Dresdner Bank, rechtes Bild Uhr mit Glockenwerk (die linke Figur - ein junger Mann - schlägt die Viertel-, Halbe und Dreiviertel-Stunde, die rechte Figur - ein alter Mann - schlägt die vollen Stunden.
Die Oper wird fotografiert ebenso wie der Uniriese
Hier ein Bild von Gisela und mir:
Der Mendebrunnen
Mit dem Fahrstuhl fahren wir auf die Aussichtsplattform dieses Uniriesen. Leider pfeift der Wind derart, dass an ein längeres Verweilen nicht zu denken ist. Trotzdem ... der Ausblick ist phänomenal und es entstehen einige tolle Digis.
Einen weiteren kleinen Stadtbummel unternehmen wir noch und betreten die Nikolaikirche. Beeindruckend präsentiert sie sich und andächtig sitzen wir in einer der Bänke, nachdem wir Jeder eine Kerze angezündet haben. Leise unterhalten wir uns und ich erfahre, dass von der Kanzel dieser Kirche damals gepredigt wurde und die Menschen dann in die Stadt zu den Demos aufbrachen. Ihre Rufe "Wir sind das Volk" führten zur Wiedervereinung. Ich bekomme eine Gänsehaut ...
Wir hatten bereits mit Leah telefoniert und uns Sorgen gemacht, da sie mittags bei uns sein wollten. Diese Mail-Freundin ist mit dem jüngsten Sohn und Mann, dem Jürgen, im Wohnmobil von Karlsruhe aus unterwegs. Wir erfahren beim neuerlichen Anruf, dass sie eben erst losfahren. Die Glocken schlugen vorhin zwölf Uhr mittags und somit rechnen wir, dass sie cirka 19 Uhr hier sein werden. Sechshundert Kilometer mit dem Wohnmobil ...
Am späten Nachmittag erfahren wir per sms, dass auch Leah mit Anhang nur noch 80 Kilometer von Leipzig entfernt seien, wie wir als wir anriefen. Das ließ uns schmunzeln. Muss eine magische Grenze sein ... oder Gedankenübertragung???
Wir sind dann in Alarmbereitschaft und "picken" sie in der Stadt auf, weil es bereits stockdunkel ist. Ein Verfahren wollen wir vermeiden. Dort raus aus dem Auto und ... dann liegen wir uns abwechselnd in den Armen. Auch hier springt der Funke sofort über. Ebenso bei Jürgen ihrem Mann. Was sind wir uns doch gegenseitig sympathisch, als ob wir uns bereits kennen würden. So eine Herzlichkeit!
Wir geben ihnen Geleit und dann ... wollen wir den Geburtstag von Jürgen - Leahs Mann - feiern. Dazu hatten die Beiden einige Dinge mitgenommen und Leah bereitet ein leckeres warmes Abendessen vor, das wir bei Gisela in der Wohnung verspeisen. Kaffee und Kuchen soll es am nächsten Tag noch geben.
Wir verabreden uns für den folgenden Tag zum Messebesuch vor dem Haupteingang der Halle. Dieses Mal fahren wir mit der Straßenbahn hin, weil der Parkplatz weiter weg ist und der Fahrpreis ist in der Eintrittskarte bereits enthalten. Leah und Anhang stürmen das Messegelände mit dem Wohnmobil.
Vor der Messe schießt Otto noch ein Bild von Gisela und mir. Man müsste es "vom Winde verweht" nennen. Drinnen geben wir die Garderobe ab und mittlerweile sind auch die Anderen eingetroffen und es geht los.
Hier unser Treffen in der Halle - linkes Bild Leah in der weißen Jacke, Mitte Gisela und rechts stehe ich
Es ist einmalig, bombastisch und beeindruckend. Unseren Verlag finden wir auch und nehmen Kontakt auf, um unsere Fragen beantworten zu lassen. Dort ist auch Giselas Buch "Stephanies Schicksalsnacht" ausgestellt. Natürlich werden Bilder geschossen. Wir Drei inmitten der Bücher und Menschen.
Positiv eingestellt geht es dann weiter. Alles was wir aufgeschrieben hatten, wird "aufgearbeitet". Dann streiken unsere Füße und wir verzichten auf das weiter Notierte, wir können es nicht mehr schaffen. Jürgen war mit dem kleinen Sohn sowieso zum Kindergarten entschwunden und saß dort in der Nähe. Handy machte es möglich, dass wir uns immer wieder absprechen konnten. Auf dem Weg zu Jürgen hören wir einigen Worten von Oskar Lafontaine zu. Beim anschließenden Sitzen amüsiert uns ein besonderes Vorkommnis. Ein Scheich weiß vermummt, fasziniert uns. Vom Gesicht hinter dem Tuch war außer einem Teil der schwarzen Sonnenbrille nichts zu entdecken. Leibwächter, eine Menge Begleitpersonal und zwei Polizisten begleiten ihn. Der arme Mann, was geht es uns gut, dass wir sorgenfrei durch die Messe spazieren können.
Leah mit Mann und Sohn wollen noch etwas bleiben und wir entschwinden zur Haltestelle der Straßenbahn und werden in Richtung Giselas Wohnung geschaukelt.
Alle beisammen gibt es leckeren Kaffee und Kuchen, der zweite Teil des Geburtstags wird gefeiert. Wieder wird es, wie abends zuvor Mitternacht ... Aber im Gegensatz zum ersten Abend hat es dann mit unserer Karte beim Hoteleingang geklappt.
Es ist der Morgen des letzten Tages unseres Aufenthalts in Leipzig. Wehmut umfasst uns. Gerne würden wir noch bleiben, aber so schön die letzten Tage für uns alle waren, so strengten sie uns auch an. Gisela bietet uns noch ihr Sofa an, falls wir noch verweilen wollten, aber wir entschließen uns doch zur Abfahrt. Den ganzen Vormittag sitzen wir Drei wieder zusammen und reden und reden und reden ...
Bereits die vorangegangenen Abende waren wir Nachteulen erst weit nach Mitternacht zu Bett gekommen. Im Hotel kannte man uns nur vom Frühstück, was uns oft schmunzeln ließ.
Da das Wetter nun am Samstag nicht sehr gut ist, fahren wir bereits um 14.30 Uhr los.
Die Verabschiedung von Leah, Jürgen und dem kleinen Rafael ist sehr herzlich. Dann halte ich Gisela noch einmal im Arm und muss gegen die Tränen kämpfen. Der Kloß im Hals ist dick und drückt schon mächtig. Wir müssen uns wiedersehen, das ist beschlossen.
Die Heimfahrt verläuft stressiger als die Hinfahrt. Das Wetter präsentiert sich von einer schlechten Seite. Zuerst Regen, der durch die Gischt der Autos noch verschärft wird. Dann Nebel und Dunst. Dazwischen Sonnenschein und ein starker Wind, der das Auto ganz schön drückt. Auch haben wir einige Mal Glück im Unglück, da andere Verkehrsteilnehmer zu sorglos beim Fahren sind: Blinker raus und plötzlich und unerwartet sind sie vor uns. Nur durch Bremsung können wir ein Auffahren verhindern, problematisch, da wir viele Autos hinter uns haben.
Auf der zweispurigen Autobahn veranstalten die Laster gegenseitige Überholvorgänge "Elefantenrennen" genannt, und die Pkw's werden dadurch enorm aufgehalten.
Nachdem wir die Autobahn verlassen haben, rufe ich die Gisela an und dann nehmen wir unterwegs noch ein warmes Essen zu uns.
Anschließend hat uns die Heimat wieder ...
Und nun hoffe ich, dass wir die Gisela an Ostern hier bei uns noch einmal ganz fest in die Arme schließen dürfen.
Heidi
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