Das besondere Weihnachtsfest
Es war einer dieser Winter, wie wir sie von früher kennen. Schneereich und sehr kalt. Weihnachten rückte immer näher und plötzlich war es Heilig Abend.
Beim Christbaumschmücken fielen mir die alten Kerzenhalter in die Hände, mit denen man noch echte Wachskerzen am Baum befestigen kann.
Seit dem ersten Lebensjahr meiner Tochter, hatten wir auf eine elektrische Baumbeleuchtung umgestellt. War praktisch und ungefährlich. Nun war das Mädchen mittlerweile zehn Jahre alt, die beiden Söhne sieben und vier. Natürlich durfte die Große beim Baumschmücken schon helfen.
Ein besonderes Fest sollte es dieses Jahr werden, hatte ich mir vorgenommen. Natürlich wollte ich vorher nichts verraten, es sollte eine Überraschung sein. Nur was ich machen würde, das wusste ich in diesem Augenblick selbst noch nicht.
Die Jungs spielten in ihrem Zimmer und mit meiner Tochter hängte ich eben die letzten Kugeln an den Baum.
Am Weihnachtsabend gab es traditionell nur Würstchen mit Kartoffelsalat. Mehr konnten die Kinder vor Aufregung sowieso nicht essen.
Später sangen wir noch ein paar Weihnachtslieder.
Mittlerweile war es schon dämmrig geworden und wir richteten uns für den Kirchgang her. Es war immer feierlich, sich so auf den Abend einzustimmen.
Sehr schön war es im Haus des Herrn. Der geschmückte Baum in der Ecke und der Duft des Tannenreisigs vermittelte das echte Weihnachtsgefühl. Nach dem Schlusslied, verließen wir das Gebäude und gingen langsam die paar Schritte nach Hause.
Schnell wurden die wenigen Geschenke ausgepackt und dann verkündete ich: „Zieht euch noch einmal an, wir machen einen Spaziergang!“
"Echt?", klang es mir erstaunt entgegen und erwartungsvoll sahen mich sechs neugierige Kinderaugen an.
In einer Tasche hatte ich alles schon bereit gelegt, was wir mitnehmen mussten. In dicke Anoraks gehüllt, kuscheligen Handschuhen und warmen Mützen auf den Köpfen, verließen wir das Haus.
Es ging in Richtung unseres Gartengrundstücks, das etwas erhöht neben der Bahnlinie lag. Vom Haus waren es ungefähr fünfhundert Meter, aber es war eine anstrengende Strecke.
Wir mussten durch den tiefen Schnee ziemlich steil nach oben steigen und das brauchte seine Zeit.
Das Türchen wurde aufgeschlossen und dann stapften wir durch den unberührten Schnee in den oberen Teil des Gartens. Dort stand eine Tanne, die nicht sehr groß war, mir aber immerhin bis an die Schultern reichte.
Nun packte ich die mitgebrachten Sachen aus.
Die beiden Jungs tollten durch das Grundstück und bewarfen sich mit Schneebällen.
Meine Tochter hatte bald erkannt, was ich vor hatte und half mir, die Halter mit den echten Kerzen am Baum zu befestigen. Einfach war es nicht, wegen des vielen Schnees, aber irgendwie schafften wir es doch.
Als wir beim Anzünden der Kerzen waren, kamen die beiden Buben zu uns. Sprachlos standen sie da.
Alle Kerzen brannten und ich holte aus meiner Tasche noch die damals so beliebten Wunderkerzen. Jeder bekam eine und als auch diese angezündet waren, standen wir wie verzaubert. Das Licht erhellte den Schnee ringsumher und auch das Bäumchen. Die Augen meiner Drei strahlten. Nun hängten wir noch einige brennende Wunderkerzen an die Zweige, nachdem wir den Schnee etwas entfernt hatten. Als die Kerzen dort sprühten, fingen wir zu singen an. Wir konnten nicht anders.
Aufgeregt und ergriffen bemerkten wir nicht einmal die lausige Kälte, die an diesem Abend herrschte.
Alle Lieder sprudelten nur so aus uns heraus, die wir bereits in der Adventszeit geübt hatten und als wir am Schluss beim "Stille Nacht ..." waren, bemerkten wir, dass wir nicht mehr allein waren.
Der Garten hatte sich leise und geheimnisvoll gefüllt. Zuerst waren es nur die Großeltern, dann der Nachbar vom Bahnhof, ebenso die Familie, die im Nebenhaus wohnte und es wurden immer mehr. Das ganze Bahnhofsviertel war versammelt und alle stimmten in das schöne Weihnachtslied mit ein. Kein störendes Wort konnte man vernehmen, kein Husten und kein Räuspern.
Es war wie ein Wunder in dieser dunklen und eisigen Nacht. Als ob das Christkind selbst hier in der Krippe liegen würde.
Nachdem das Lied verklungen war, herrschte minutenlange Stille.
Anschließend gingen wir alle aufeinander zu und nahmen uns in den Arm - mit Tränen in den Augen. Es war eine Verbundenheit, die ich nie mehr im Leben empfunden habe.
Wir wünschten uns gegenseitig aus ehrlichen Herzen ein schönes Weihnachtsfest.
Dann waren die Kerzen auch schon ausgegangen und wir traten den Heimweg an.
Für uns war es nach zwei traurigen Weihnachtsfeiern, die wir alleine verleben mussten, ein richtiges Fest der Liebe.
So muss es auch gewesen sein bei der Geburt des Jesuskindes, als die Hirten und alle Bewohner des Ortes zusammen kamen, um zu singen, zu beten und zu staunen.Heidi Gotti